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Kolloquium Flucht, Migration und Menschenrechte im CPH

Am 02.02.24 veranstaltete das CPH in Kooperation mit dem Centre for Human Rights Erlangen-Nürnberg (CHREN) und dem Nürnberger Menschenrechtszentrum (NMRZ) das Fachkolloquium „Flucht, Migration und Menschenrechte. Ein Lern- und Denkort in der Stadt der Menschenrechte?“ Vor rund 100 Zuhörenden gingen Vertreter:innen aus Theorie und Praxis in zwei Gesprächsrunden der Frage nach, wie mit Flucht und Migration aus menschenrechtlicher Sicht umgegangen werden sollte. Umrahmt wurden diese beiden Podiumsgespräche durch einen Auftaktimpuls von Wolfgang Grenz und die abschließende Präsentation des Projektes „Ein Schiff für Nürnberg“.

Was können wir tun?
Diese Einstiegsfrage stellte Dr. Siegfried Grillmeyer, Direktor der Akademie CPH, bei seiner Begrüßung zur Eröffnung des Fachkolloquiums in den Raum. Und er formulierte das Ziel der Veranstaltung: Ganz grundlegend über die Möglichkeiten nachzudenken, wie wir uns als Zivilgesellschaft für einen humanen Umgang mit den Herausforderungen von Flucht und Migration einbringen können.

Umgang mit Flucht und Migration gestern und heute
Wolfgang Grenz, Vorstandsmitglied von Amnesty International, bot im Eröffnungsimpuls einen Überblick über den Umgang mit Flucht und Migration in Deutschland. Er sieht das Jahr 1979 als Start des Asylthemas im geteilten Deutschland. Mit der ansteigenden Anzahl der Asylsuchenden auf mehr als 100.000 um das Jahr 1980 verstärkte sich die Diskussion um die „Belastbarkeit“ der Bundesrepublik. 1993 kam es als Reaktion auf einen weiteren Anstieg der Asylbewerberzahlen nach der Wiedervereinigung zu einer Grundgesetzänderung. Ein wesentlicher Aspekt: Flüchtenden wird der Anspruch auf Asyl verwehrt, wenn sie über sichere Drittstaaten oder aus sicheren Herkunftsländern kommen.
Insgesamt sei laut Grenz heute eine Verschlechterung der Lage zu beobachten: Zum Beispiel durch „Pushbacks“ an den Außengrenzen der EU, die gegen die allgemein vereinbarten Menschenrechte und gegen die europäische Menschenrechtskonvention verstoßen. Zudem werde in einigen Staaten der EU die Seenotrettung zunehmend kriminalisiert. Screening-Verfahren an Grenzen schränkten die Rechte geflüchteter Menschen aus Ländern mit einer Anerkennungsquote unter 20% weiter ein. Grenz verwies in diesem Zusammenhang auch auf Aktivitäten bestimmter Staaten hin, die Asylbewerber instrumentalisierten, um die EU zu schwächen.  Grenz‘ Fazit bleibt verhalten: Eine große Veränderung werde wohl nicht mehr gelingen deshalb sei nach kleinen Schritten zu suchen.

Zwei Diskussionsrunden auf dem Podium
Im ersten Panel mit dem Titel: Flucht, Migration, Menschenrechte – Zentrale Fragestellungen aus fachwissenschaftlicher Sicht sprachen die Vertreter:innen des CHREN an der FAU Erlangen-Nürnberg, Prof. Dr. Anuscheh Farahat, Jonathan Kießling und Isabel Kienzle sowie als Moderator Prof. Dr. Markus Krajewski aus fachwissenschaftlicher Sicht über die Fragestellung: Wie gedenkt und erinnert man an das Thema Flucht und Migration? Welche Inhalte sollte ein Lern- und Denkort abdecken? Wie kann man im Hintergrund von Nürnbergs Geschichte Vergangenes mit Aktuellem verknüpfen? Wie kann man Menschenrechtsverletzungen im Rahmen eines Lern- und Denkorts systematisieren?
Prof. Dr. Anuscheh Farahat schlug eine situative und zeitspezifische Einteilung in Sequenzen vor, welche die Etappen der Flucht beschreiben, wie zum Beispiel die Ursachen der Flucht und die Menschenrechtsverletzungen auf dem Weg nach Deutschland und Probleme vor Ort.
Jonathan Kießling kam auf die deutsch-europäische Verantwortung zu sprechen und appellierte an das Bewusstsein für Herausforderungen, die wir immer weiter auslagern und von uns wegschieben. Ein Erinnerungsort soll seiner Meinung nach den Blick wieder zurücklenken und neues Bewusstsein für den Umgang mit Migration schaffen.

Das zweite Panel stand unter der Überschrift Lern-, Gedenk- und Erinnerungsorte im städtischen Raum – Perspektiven der Menschenrechtsbildung und Erinnerungskultur. Auf dem Podium diskutierten Prof. Dr. Charlotte Bühl-Gramer von der FAU, Dr. Otto Böhm vom Nürnberger Menschenrechtszentrum (NMRZ) und Dr. Eva Kraus, Intendantin der Bundeskunsthalle Platz, die Moderation übernahm Martin Stammler vom CPH.
Charlotte Bühl-Gramer, Geschichtsdidaktikerin an der FAU, unterschied zunächst Lern-, Gedenk- und Erinnerungsort und schloss mit der Idee eines „Geschichtsorts“. Otto Böhm (NMRZ) warf ein, dass genau solch ein Geschichtsort von Schulklassen wahrgenommen werden müsse. Begegnung und aktive Teilhabe seien essenziell, bestätigte Dr. Eva Kraus. Charlotte Bühl-Gramer merkte an, dass Denkorte Dialoge, auch zwischen Gruppen mit unterschiedlichen Meinungen, fördern müssen. Außerdem solle der Ort Angst und Vorurteile nehmen. Die Frage, wie man Menschen erreiche, die man bisher nicht erreichen konnte, blieb unbeantwortet.

In beiden Diskussionsrunden waren sich die Beteiligten einig, dass insbesondere die allgemeine Sichtbarkeit und diejenige von Einzelschicksalen erhöht und in den Mittelpunkt gerückt werden müsse.

Ein Schiff für Nürnberg
Zum Abschluss stellte Klaus Stadler, der sich zwei Jahre als Seenotretter bei Sea-Eye im Mittelmeer engagierte, das Projekt „Ein Schiff für Nürnberg“ vor. „Ich bin einen Teil des Fluchtweges von Menschen mitgegangen“, sagte er und zeigte Videoausschnitte von seinen persönlichen Erfahrungen auf hoher See. Bei seinen zahlreichen Vorträgen zum Thema Flucht nehme er viel Empathie wahr, jedoch kaum Wissen über die Bedingungen auf dem Fluchtweg. Daher sei es ihm wichtig, mithilfe eines Lern- und Denkorts über den Sachverhalt aufzuklären. Seiner Überzeugung nach könne verantwortungsvoll vermitteltes Wissen über Fluchtursachen, Migrationsgründe und -folgen dazu beitragen, eine oft hochemotional geführte Diskussion auf eine konstruktive Ebene zu bringen.
Die Idee: Das stillgelegte Rettungsschiff Sea-Eye soll am Standort Nürnberg – der Stadt der Menschenrechte - zum Zentrum eines Begegnungsortes stationiert werden. In zusätzlichen Räumlichkeiten, z.B. Containern, könnten Workshops oder wechselnde Ausstellungen stattfinden, um eine breite Öffentlichkeit zu erreichen. Das Spektrum der Adressat:innen reicht laut Stadler von Schulklassen, Studierenden, Ehrenamtlichen im Bereich Menschenrechte, Asyl, Flucht und Migration bis hin zu Fachkräften der politischen und Menschenrechtsbildung, Reisegruppen, Teilnehmende internationaler Jugendbegegnungen und an der Mitwirkung von Rettungseinsätzen Interessierte.

Noch liegt die Sea-Eye in Hamburg im Hafen. Klaus Stadler gründete die Ein Schiff für Nürnberg gGmbH, um die Beteiligung vieler Organisationen und Partner:innen zu vereinfachen. Er appellierte an die Stadt Nürnberg, das Projekt in ihrer Prioritätenliste weiter nach oben zu schieben. Die Kosten- und Standortfrage müsse beantwortet werden und Werbung müsse Aufmerksamkeit auf das Projekt lenken, um zukünftige Besucher:innen anzuwerben.

Die Resonanz unter den Beteiligten und dem Publikum am Ende der Veranstaltung war weitgehend positiv und man freut sich, das Projekt „Ein Schiff für Nürnberg“ weiter verfolgen zu können: „Ein Schiff wird kommen!“

Der Bayerische Rundfunk berichtete über die Veranstaltung.

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Blick durch den vollbesetzten Saal

© Giulia Iannicelli

Dr. Grillmeyer hält ein Buch in die Höhe

Was können wir tun? fragte Akademiedirektor Dr. Siegfried Gillmeyer zur Eröffnung des Fachkolloquiums © Giulia Iannicelli

Wolgang Grenz bei seinem Vortrag

Wolfgang Grenz, Vorstandsmitglied von Amnesty International, bot im Eröffnungsimpuls einen Überblick über den Umgang mit Flucht und Migration in Deutschland. © Giulia Iannicelli

Blick in den Saal von oben mit Podium

Blick in den vollbesetzten Pirckheimersaal © Giulia Iannicelli

v.l.n.r.: Dr. Otto Böhm, NMRZ; Dr. Siegfried Grillmeyer, CPH; Pro. Dr. Markus Krajewski, CHREN; Klaus Stadler, Ein Schiff für Nürnberg © Giulia Iannicelli

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